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Heft 25: Geheimnis Nacht

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Heft 25
 
Februar 2011 Schwerpunkt: Geheimnis Nacht
 
  • Klaus-Uwe Adam: Die Symbolik von Nacht und Dunkelheit
  • Wolfram Frietsch: Der Hölle Rache kocht in meinem Herzen
  • Rosmarie Daniel: Nachtmeerfahrt – Reise in die Abgründe der Seele
  • Wolfgang Kleespies: Depression – Suche nach Sinn
  • Verena Kast: Neid – ein Gefühl im Schatten
  • Christiane Lutz: Angst – der Blick ins Dunkel
  • Brigitte Dorst: Komm, Trost der Nacht, o Nachtigall | Symbole des Trostes und der Hoffnung in Krisenzeiten
  • Reinhard Körner: Die Dunkle Nacht in der Mystik des Johannes vom Kreuz 
  • Katharina Sommer: Schattenwesen – Nachtgestalten | Ungelebtes Leben im Maskenspiel lebendig werden lassen
  • Jörg Rasche: Nachtmusik – Die Nocturnes des Frédéric Chopin
  • Monika Rafalski: Nacht – die Tageszeit der Romantik

    FÜR SIE GESEHEN
  • Dieter Volk: Rififi – ein Klassiker des „Film noir“
  • Bernd Leibig: Nykturie – die Nachtwanderung (Glosse)

    BERICHTE
  • Volker Münch: Angesichts der Vielfalt | Tagung der Internationalen Vereinigung für Analytische Psychologie in Montreal
 
Editorial:

Liebe Leserinnen und Leser,

für den Menschen steht hinter der Angst vor der Dunkelheit, der Nacht und dem Schlafen oft die Angst vor dem Unbewusstwerden des Bewusstseins, die Angst vor der damit verbundenen Hilflosigkeit, dem Kontrollverlust, die Angst vor Hingabe an das Unbekannte unserer Seele.
 
Wenn wir uns zurückversetzen in die Situation des ganz frühen Menschen, vielleicht sogar noch vor der Entdeckung des Feuers, dann wird leicht verständlich, weshalb die Nacht natürlicherweise bedrohlich und unheimlich erlebt wurde. Unsere wichtigsten Orientierungshilfen, das Licht und die Augen, können nicht mehr verwendet werden, die gemeinsamen Aktivitäten und Kommunikationsmöglichkeiten mit anderen Menschen werden eingeschränkt, die Aufmerksamkeit richtet sich verstärkt auf einen selbst, auf die eigenen Befindlichkeiten, gleichzeitig werden wir müde und können uns von den sich nun verstärkenden Fantasien, Sorgen, Befürchtungen nicht mehr so gut ablenken.
 

Wir alle kennen aus unserer Kindheit die Übergangsrituale, die wir brauchten, um die Schwelle zu diesem Unbewusstwerden überschreiten zu können: die beruhigende Stimme oder atmende Nähe eines anderen Menschen.Wir alle kennen den angstvollen Ruf nach Licht, wenn wir aus dem Schlaf erwachten und die Schwärze der Nacht oder die dunkle Tiefe des Raums uns zu verschlingen drohte. Wie tröstlich konnten dann Lebenszeichen sein, die wir von außen wahrnahmen: ein vorüberfahrendes Auto, die Stimme der Eltern aus einem anderen Raum oder ein Lichtstrahl, der von irgendwo in die Dunkelheit hineinfiel.

Die seelische Unterwelt des Unbewussten mit ihren Abgründen, Schrecken, ihren "Göttern", "Geistern" und "Dämonen" beginnt in der Nacht besonders rege zu werden. Das Eintauchen in die geheimnisvolle, fantastische, aber auch ängstigende Welt der Träume, in der man meist viel mehr Opfer der Geschehnisse als ein bewusst Handelnder ist, ist sicherlich für viele Menschen ambivalent gewesen.

Es hat aber wohl auch schon immer eine Reihe von Menschen gegeben, die sich ihr besonders gerne hingegeben haben: die mehr introvertierten schöpferischen Menschen, die "Träumer, Fantasten und Visionäre", die psychischen Grenzgänger, Schamanen, Propheten, Mystiker, Romantiker. Denn in der Nacht konnten auch "Jenseitsreisen" unternommen, konnten viele unbekannte Welten erfahren und konnte Kontakt mit Verstorbenen, fremden Wesen und Menschen aufgenommen werden. Man besaß erstaunliche Fähigkeiten, konnte fliegen und erotische Erfahrungen mit Traumpartnern machen. Die Erfahrung dieser Welt der unbewussten Seelentätigkeit wie auch deren Abwehr ist sicher eine ganz wesentliche Ursache aller Religionen gewesen.

Bei diesen geheimnisvollen Vorgängen der Nacht mag dem frühen Menschen der Schein der Sterne bei klarem Himmel oder der Mondschein immer schon tröstlich gewesen sein. In seinem fahlen, kühlen Licht konnte man sich wenigstens einen gewissen Überblick über die äußeren und inneren Vorgänge verschaffen. Es vermittelte einem ein etwas angstfreieres, vielleicht sogar meditatives Eintauchen in die Welt der psychischen Fantasien und Bilder, in die Vorgänge des Unbewussten mit seinen eigentümlichen Symbolen, Stimmungen und Launen (das deutsche Wort Laune hängt mit dem lateinischen Wort für den Mond "luna" zusammen), weil ein gewisses Maß an Distanz und Orientierung aufrechterhalten werden konnte.

Im Licht des Mondes wird uns ein teilweises Auf- und Hingeben des Ich-Bewusstseins an die Nachtseite und mystische Tiefendimension der Seele möglich. Wir können besser nach innen gehen, weil wir nicht ganz von der Schwärze der Nacht verschluckt werden. Wir werden offen, ansprechbar, empfänglich für das, was dort keimt, wächst und geboren werden will. Dieses Eintauchen in die mondhaften "Wasser" des Unbewussten wird besonders auch von liebenden Menschen ersehnt - man denke an das romantische Symbolbild vom Rendezvous des verliebten Paares im Mondenschein -, weil es ihnen ihre tiefe Sehnsucht nach Rückkehr in die Einheit, nach Verschmelzung und Vereinigung stillt.

Dieser Sachverhalt und auch die schon früh beobachtete Übereinstimmung des weiblichen Menstruations- Zyklus mit dem Mond-Zyklus ließen den Mond (oder eigentlich besser: die Mondin) zum Symbol der Großen Mutter und der Gottheit des schöpferischen Lebens, der Vegetation, des Wachsens, Werdens und Vergehens, der Fruchtbarkeit, der Fortpflanzung, der Schwangerschaft und Geburt, aber auch des Todes werden. Gerade die abnehmende und dunkle Schwarz-Mond- Phase, in der der Mensch von allem Licht verlassen und der Dunkelheit unbarmherzig ausgeliefert ist, wenn nicht wenigstens noch die gütigen anderen Sterne am Himmel ein bisschen Hoffnung schenken, wurde ihm auch zu einer Zeit des Schreckens, desWahns, des Sterbens und des Todes. Mitternacht, die dunkelste Zeit des Tages, war deshalb auch die Zeit der Geister, der schwarzen Magie, des bösen Zaubers, der Hexen- und Teufelskulte.

Die Dunkelheit, die wir häufig mit dem Nichts, der Auslöschung, dem Tod verbinden, erscheint aber vor allem unserem Ich-Bewusstsein so gefährlich. Das meiste nämlich an lebenswichtigen und lebensförderlichen Vorgängen geschieht in der Dunkelheit des Unbewussten: Empfängnis, Schwangerschaft wie auch alle anderen Körpervorgänge verlaufen im Dunklen. Selbst das Gehirn befindet sich im dunklen Kopf, in den nie ein Lichtstrahl hineinfällt und wenn, dann bedeutet es meist nichts Gutes.

Wenn wir den neuesten Ergebnissen der Hirnforschung wie auch der Evolutionsbiologie und Evolutionspsychologie Glauben schenken wollen, dann müssen wir sehen, dass unser Bewusstsein nicht freischwebend vom Himmel herab kam, sondern vielmehr ein letztes Produkt jener Intelligenz, dem "lumen naturae", dem Licht der Natur, wie Paracelsus es nannte, ist, die in der Natur und im Körperlichen seit Jahrmillionen von Jahren wirkt und den evolutionären Prozess vorangetrieben hat. Der bewusste Geist kommt also nicht aus fernen Sphären "von oben", viel eher von unten, wenn man diese räumlichen Kategorien verwenden will.

Damit wird aber eine vollständige Umwertung des "Unteren", des Unbewussten notwendig. Das Unbewusste enthält in sich das Vor-Wissen der gesamten Evolution, wenn auch nicht in einer bewussten, sondern eher in einer instinktiven Weise und gebiert aus sich heraus das Bewusstsein. Mit Hilfe des Bewusstseins wird die schon immer vorhandene Weisheit des Unbewussten uns allmählich zugänglich. Ohne das Ich-Bewusstsein, dieses bisher letzte und vielleicht großartigste Wunder der Evolution, in seiner Bedeutsamkeit schmälern zu wollen, müssen wir uns klarmachen, dass wir in jedem Augenblick unseres Lebens zum allergrößten Teil von unbewussten Abläufen bestimmt werden, selbst da, wo sie uns bewusst werden. Auch unsere bewussten Gedanken, Gefühle und Entscheidungen rufen wir nur sehr selten absichtlich gesteuert hervor, sondern sie entstehen in uns durch vorauslaufende unbewusste Entscheidungsprozesse. Unsere Person wird in ihrem Sein und Verhalten nicht durch das Ich-Bewusstsein bestimmt, sondern es scheint umgekehrt zu sein.

Das „dunkle” Unbewusste ist unser eigentliches, aber unbekanntes Wesen. Ein überaus großer Teil unserer Existenz spielt sich also in gewisser Hinsicht vollständig im absolut Dunklen ab und wir tun gut daran, unsere Einstellung zu dieser Tatsache neu zu überdenken. „In Wirklichkeit ist die Psyche die Mutter, das Subjekt und sogar die Möglichkeit des Bewusstseins selbst. Sie reicht so weit über die Grenzen des Bewusstseins hinaus, dass dieses leicht mit einer Insel im Ozean verglichen werden kann. Während die Insel klein und eng ist, ist der Ozean unendlich weit und tief und enthält ein Leben, welches dasjenige der Insel an Art und Umfang in jeglicher Hinsicht überragt.” (Jung, GW 11, § 1 1)

So wünschen wir Ihnen viele gute Nächte und Traumerfahrungen im Vertrauen auf die regenerierenden und schöpferischen Kräfte Ihrer Psyche.

Ihre
Anette und Lutz Müller
Für das Redaktionsteam

 
 
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