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Heft 52: Polarität und Ganzheit

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Heft Nr. 52 • Oktober 2024 • SCHWERPUNKT: Polarität und Ganzheit

Heft 51
Heft 52 xs
 
Inhalt (Auszug):
Theodor Seifert: Paradoxie und Einheit
Verena Kast: Die Macht der Emotionen
Bernd Leibig: Polarität und Komplementarität
Monika Rafalski: Introversion – Extraversion polar und komplementär sich ergänzend
Margarete Leibig: Polarität in der Paarbeziehung | Miteinander oder Gegeneinander?
Günter Hammerstein: Vom Ich zum DU zum WIR im KREIS
Rainer Funk: Identität und soziale Identität vor dem Hintergrund der Psychologie Erich Fromms
Annette Kuptz-Klimpel: Bindung und Autonomie
Judith Noske: Identitätsbildung zwischen Gegensätzen und Verhältnissen
Stefanie Nahler: Zwischen Abschied und Begrüßung: Über die Bedeutung symbolischer Prozesse als erlebte Verbundenheit
Ludger Verst: Wer ist eigentlich Gott?
Thomas Frings: Mitten im Leben sind wir vom Tod umfangen
Jörg Rasche: Macht und Ohnmacht | Jungianer in den Jahren 1914 bis 1945
Christian Kessner: „Anmut sparet nicht noch Mühe, Leidenschaft nicht noch Verstand [...] “ (Bert Brecht)
FILMBETRACHTUNG
Dieter Volk. „Eine Couch in New York“
 
Liebe Leserinnen und Leser,

ein für die Analytische Psychologie grundlegender und typischer Ansatz ist das Polaritätsprinzip. Polarität (griech. polos: Himmelsgewölbe am Pol) bezeichnet die Entfaltung einer Einheit in zwei entgegengesetzte, sich zugleich bedingende oder ergänzende Richtungen, Tendenzen, Ausprägungen.
In den verschiedenen wissenschaftlichen, philosophischen, psychologischen und religiösen Systemen wie auch im Alltagsleben stoßen wir immer wieder auf universale Polaritäts- und Konfliktpaare, die zu durchleben und zu durchleiden sind. So wie unsere Psyche, unser Wahrnehmungs-, Fühl-, Denk- und Bewusstseinssystem funktionieren, scheint es zur Unterscheidung und Differenzierung von Ereignissen erforderlich zu sein, dass wir sie in Polaritätsskalen erleben.

Polare Spannungen scheinen der Herzschlag und der Atem alles Lebendigen zu sein. Sie sind bereits im anorganischen Bereich von Energie und Materie, z. B. als Anziehung und Abstoßung, als zentrifugale oder zentripetale Kräfte, als Lichtquantum und Welle, als Pluspol und Minuspol usw. wirksam, aber ebenso im organischen, im psychischen und gesell- schaftlichen Bereich dauernd präsent. Polaritäten begegnen uns täglich, oft ohne dass wir ihnen besondere Aufmerksamkeit schenken.

In der Analytischen Psychologie wird häufig betont, wie wichtig das Gleichgewicht zwischen den Polen für unsere psychische Gesundheit ist. Wer zum Beispiel nur den Wunsch nach Erfolg und Aktivität in sich trägt, riskiert, die Bedeutung von Ruhe und innerer Sammlung zu vernachlässigen. Ebenso kann ein Übermaß an Melancholie und Rückzug den Zugang zur Freude und Lebendigkeit blockieren. Polaritäten sind keine sich einander ausschließenden Gegensätze, sondern dynamische Kräfte, die uns antreiben, uns weiterzuentwickeln und zu lernen, wie wir in der Mitte dieser Spannungsfelder unser Gleichgewicht finden können.
 
Ein zentrales Konzept, das in diesem Zusammenhang bedeutsam ist, ist die Idee der „Dialektik“: die Kunst, zwischen Extremen zu vermitteln und aus den Spannungen etwas Neues, Höheres entstehen zu lassen. In der Psychotherapie etwa wird dieser Ansatz genutzt, um den Patienten dabei zu helfen, ein Gleichgewicht zwischen ihren inneren Konflikten und Spannungen zu finden. Es geht nicht darum, einen der Pole völlig aufzugeben, sondern beide Seiten in einem größeren Zusammenhang zu sehen und zu integrieren.

Es sind nicht die Extreme, die uns ausmachen, sondern die Balance, die wir zwischen ihnen finden. Es geht darum, wie schon seit langer Zeit gewusst wurde, das „rechte Maß“ zu finden. Das Streben nach Harmonie in Gegensatzspannungen ist ein lebenslanger Prozess, der uns dazu anregt, immer wieder zu reflektieren, welche Seiten in uns gerade stärker ausgeprägt sind und welche wir vielleicht vernachlässigt haben.

Polaritäten bieten uns die Möglichkeit, unser Leben als ein dynamisches Spiel der Gegensätze zu verstehen – und damit auch als eine Chance, unser inneres Gleichgewicht immer wieder neu zu justieren. Durch das Erkennen und Akzeptieren von Gegensatzspannungen können wir nicht nur besser mit uns selbst, sondern auch mit anderen in Einklang leben. Denn oft spiegeln uns die Menschen in unserer Umgebung genau die Polaritäten wider, die in uns selbst ein Ungleichgewicht erzeugen. So wird das Erkennen von Gegensätzen und deren Zusammenhängen zu einem Weg der Selbsterkenntnis.

Indem wir lernen, die Polaritäten in unserem Leben zu integrieren, gewinnen wir eine tiefere Einsicht in die Vielfalt und Komplexität des menschlichen Daseins. Wir begreifen, dass das Leben nicht „entweder-oder“, sondern „sowohl-als-auch“ ist – und dass in diesem Spannungsfeld die größte Chance für persönliches Wachstum liegt.

Mit besten Wünschen
Anette und Lutz Müller
für das Redaktionsteam
 
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